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Du oder Sie? Die Anrede als Markenzeichen

Viele Unternehmen – vor allem größere – entwickeln eine firmeneigene Markensprache und legen in Brand Guidelines (= Leitfaden für die Markenkommunikation) fest, wie sich die Corporate Identity (= Unternehmensidentität) unter anderem in Design und Tonalität manifestiert. Während das Corporate Design noch relativ einfach über die Ländergrenzen hinweg einheitlich definiert werden kann*, verhält es sich mit Anweisungen für den Text schwieriger, denn hier kommen die verschiedenen Sprachen in die Quere.

Allein der Blick auf die Anrede reicht aus, um das Ausmaß des Sprachproblems zu erkennen: Während es im englischen Sprachraum nur das you gibt, unterscheiden Deutsche und Franzosen zwischen Sie/vous und Du/tu. Eine direkte Übersetzung aus dem Englischen in diese Sprachen ist also nicht ganz einfach, da sie vom Ermessen der Übersetzenden abhängt, wenn die Anredeform im Französischen und Deutschen nicht in den Brand Guidelines festgelegt worden ist. So lässt sich mitunter nur aus der vorhandenen Kommunikation eines Unternehmens ableiten, ob nun Sie oder Du die passende Anredeform für Werbung und Kundenkommunikation in anderen Sprachen ist. Aus genau diesem Grund haben viele Firmen in ihren Content Guidelines (= Kommunikationsleitlinien oder Tone of Voice) beschrieben, welche Anredeform für welche Sprache gilt.

Ist doch klar: Wir sprechen Sie mit Du an

Eigentlich ganz einfach: Eine Bank siezt die Kunden, eine Streetwear-Marke duzt. Was aber, wenn das Image (Seriosität ausstrahlen) oder die Zielgruppen (junge Menschen) nicht in eine einzige Schublade passen wollen und sollen? Wenn das Unternehmensbild irgendwo zwischen seriös, lustig und cool liegt und die Zielgruppe zwischen 6 und 89 Jahre alt ist? Im Prinzip verhält es sich hier genauso wie bei jedem einzelnen von uns: Im Berufsleben oder privat, ob das Sie oder das Du angebracht ist, hängt von vielen Faktoren ab. Wie gut kenne ich die Person? In welchem Verhältnis stehen wir zueinander? In welchen Situationen treffen wir zusammen? Wie ist meine subjektive Einstellung zum Siezen oder Duzen? (…) Es ist der Kontext, der den Gebrauch von Sie und Du vorgibt.

Entweder ganz oder gar nicht?

Das Dilemma: Die Festlegung auf eine Anredeform ist zwar richtig und wichtig, kann aber auch schneller beschränken, als ein Copywriter schreiben kann. Das gilt nicht nur für Übersetzungen. Gerade beim kreativen Schreiben von Slogans und Kampagnen kann der Stift bei einer allzu straffen formellen Anrede-Regelung ins Stocken geraten. Allerdings gibt es natürlich auch Beispiele für eine streng geregelte, konsistente Unternehmenskommunikation, die sehr gut funktionieren. IKEA macht es vor. Das Markenbild des schwedischen Möbelherstellers wird maßgeblich dadurch geprägt, dass Kunden auf der ganzen Welt und in allen Kommunikationskanälen geduzt werden. Das Du ist in Schweden die übliche Anredeform**, und da IKEA sich als durch und durch schwedisches Unternehmen präsentiert, ist die Verwendung von Du nur konsequent.

Die Regel als Ausnahme

Manch ein Unternehmen versucht, durch Ausnahmen einen Weg aus dem Anrede-Dschungel zu finden. So gibt es beispielsweise eine Faustregel, die besagt, dass man seine sonst mit Sie angesprochenen Kundschaft bei Facebook, Instagram, TikTok und Twitter duzen darf oder sogar muss. Das sorgt allerdings zuweilen für komische Dialoge (zum Beispiel bei Beschwerde-Posts oder in Shitstorms). Auch ist die Regelung, dass bei Kampagnen alles anders sein kann als sonst, nicht immer hilfreich. Mitunter erweist sich dieses „Alles-Kann-Nichts-Muss“ als Quelle des Anrede-Wirrwars, nämlich dann, wenn innerhalb der Kampagne vom Sie zum Du munter hin- und hergewechselt wird.

Sie oder Du - was denn nu?

Grundsätzlich gilt: Existiert keine einheitliche Regelung zur Anredeform in einer Unternehmens- oder Markenkommunikation, dann gibt es folgende Möglichkeiten:

  • Aus der bereits bestehenden Kommunikation der Marke oder des Unternehmens lässt sich die Anredeform ableiten.
  • Die Attribute und Zielgruppen einer Marke oder eines Unternehmens sind richtungsweisend für die Anrede (wenn z. B. die Kommunikation bislang nur in Englisch vorliegt).
  • Die Anredeform wird zur Diskussion gestellt, um eine Entscheidung herbeizuführen (das kann aber dauern …).
  • Es wird die etwas persönlichere Anredeform Ihr gewählt, die lockerer als Sie, aber weniger kumpelhaft als Du ist.

* Liebe Grafiker-Kollegen, das ist natürlich sehr grob abgehandelt. Natürlich kämpfen auch Designer tagtäglich mit globalen Anforderungen an die Gestaltung, die auf einen kulturspezifischen Kreis heruntergebrochen werden müssen 😉

** Das höfliche Sie wurde in Schweden in den 70er Jahren verdrängt. Genau genommen gab es kein echtes Sie in Schweden, da die schwedische Höflichkeitsform in der dritten Person ausgedrückt wird, was heute nur noch gegenüber dem Königshaus üblich ist. In diesem Sinne „Hat die geneigte Leserschaft noch Fragen?“